Die Sitzposition überwachen und korrigieren – das soll mit dem smarten Sensor von Interstuhl in Kooperration mit Garmin möglich sein. Dabei wird er einfach an den Sitz geklebt. Ist es wirklich so simpel?
Als Büromensch sitze ich stundenlang am Computer und das seit Jahren. Schon sehr früh war mir ein halbwegs gesundes Sitzen wichtig. Spätestens wenn sich Beschwerden äußern und es unbequem wird, setzt man sich zwangsläufig mit dem Thema auseinander. Das Thema ist an sich viel zu komplex, um es in einem Testbericht abzuarbeiten. Schließlich kommen viele Faktoren zum Tragen: Neben Tischhöhe und Monitorposition, ist natürlich auch der ideale Bürostuhl wichtig. Ich persönlich nutze seit Jahren einen Interstuhl Goal und bin im Großen und Ganzen zufrieden. Nun habe ich zwar einen guten Bürostuhl aber ich weiß trotzdem nicht, ob mein Sitzverhalten korrekt ist. Ungesundes Sitzen schleicht sich über die Stunden ein und man vergisst, sich mal zu bewegen oder die Position zu wechseln. Diese Nachlässigkeit möchte Interstuhl in Kooperation mit Garmin beseitigen. Mit einem ultrakleinen Sensor kann nahezu jeder Bürostuhl „smart“ gemacht werden.
Der Name „S4.0“ ist leider alles andere als selbsterklärend. Ich bezeichne das Ding mal als smarten Sensor, den man an die Unterseite von der Sitzfläche klebt. Der Preis vom Sensor ist schon ziemlich abschreckend – zumindest im Einzelverkauf. Interstuhl bietet aber interessante Pakete an, die sich aus guten Bürostühlen inklusive Sensor auszeichnen. Dort gehen die Preise meiner Meinung nach in Ordnung. Da ich ja schon einen guten Bürostuhl habe, reicht mir die Nachrüstlösung. Der Lieferumfang ist bei so einem Nanoprodukt überschaubar: Eine anschauliche Kurzanleitung, ein USB-Dongle (Ant-Stick genannt) und der Sensor mit Klebepad.
In der gut bebilderten Kurzanleitung steht, was zu tun ist. Ähnlich wie bei einer IKEA-Aufbauanleitung kommen einfache Symbole zum Einsatz. Man klebt den Sensor auf die vordere Stuhlunterseite und zwar mit der Pfeilmarkierung Richtung Arbeitsplatz. Dann soll man den Sensor für 5-10 Sekunden drücken. Hier habe ich nahezu gar keinen Druckpunkt gespürt und es gab auch sonst keinen Indikator, dass irgendwas passiert. Aber es funktioniert, wie sich in den Folgeschritten herausstellen wird. Dann wird nämlich der Ant-Stick in einen USB-Port am Rechner eingesteckt und die App von Interstuhl runter geladen und installiert.
Die App gibt es für Windows und Mac gleichermaßen. Für das Smartphone gibt es keine App. Ein Computer ist also zwingend notwendig! Das ist aus meiner Sicht nicht ganz zeitgemäß. Möglicherweise hat man auch gar keinen USB-Port mehr frei. Das sollte man also vorher prüfen! Übrigens: wer eine Garmin vívoactive 3 Smartwatch hat, kann diese ebenfalls mit dem Sensor koppeln.
Während der Installation der Software wird der Sensor gesucht und in meinem Fall wurde er auch problemlos gefunden. Der Bürostuhl mit Sensor sollte jedoch nicht zu weit vom Ant-Stick entfernt sein – maximal 2,5 m. Der mehrstufige Einrichtungsprozess ist vorbildlich gelöst und mit vielen Symbolen und Hinweisen ist die Einrichtung wirklich kinderleicht.
Es ist schon erstaunlich wie unglaublich klein dieser Sensor ist und wie er alleine die Sitzposition überwachen soll. Strom bekommt er durch eine CR1632 Knopfzelle, die man einfach auswechseln kann. Im Laufe der Kalibrierung zeigt sich der Winzling erstaunlich präzise und fordert einen auf, bestimmte Schwerpunkte im Bürostuhl einzunehmen. Ist die Kalibrierung abgeschlossen, kann man die Sitzposition variieren und zur Kontrolle in der App überprüfen. Sitze ich weit vorne links, wird das nach einer kurzen Verzögerung in der App angezeigt. Ich finde das durchaus verblüffend. Ich habe keine Ahnung wie das im Detail funktioniert aber anscheinend handelt es sich um eine Art Lagesensor, der kleinste Kippbewegungen erkennt und der Sitzposition zuordnen kann.
Im Alltag muss die App immer aktiviert sein. Erst dann gibt es in regelmäßigen Abständen im unteren, rechten Bereich vom Bildschirm Hinweise, die anweisen, was zu tun ist. Sitzt man zu lange in einer starren Position, wird man aufgefordert, den Schwerpunkt zu verlagern. Sitzt man den Tag über zu lange auf dem Stuhl, wird man angewiesen, aufzustehen und sich zu bewegen. Das funktioniert zwar gut, aber ich hätte mir eine tiefere Integration ins Betriebssystem gewünscht, die auch funktioniert, wenn die Interstuhl-App aus ist. Apple bietet ja für MacOS eine Benachrichtungsfunktion im oberen rechten Bildschirmbereich an. Hier hätte man die Hinweise ebenso ausgeben können. Auch sind mir die Hinweise etwas zu langweilig.
Etwas mehr Fantasie hätte den Entwicklern gut getan. Ich kriege zum Beispiel ständig den unaufdringlichen Hinweis, meine Position zu verändern aber mir fehlt hierfür der Anreiz. Ich bin schließlich in meiner Arbeit vertieft und habe Ziele zu erreichen. Klar – der Anreiz ist die eigene Gesundheit aber sind wir mal ehrlich: Mittelfristig schleicht sich wieder die Bequemlichkeit ein. Zeitgemäß wäre eine Art spielerisches Belohnungssystem (Stichwort „Gamification“). Also für jede Anweisung, die man befolgt, könnte man den Nutzer belohnen, indem man Punkte vergibt. Ist eine Gesamtzahl an Punkten in gewissen Zeiträumen erreicht, gibt es virtuelle Trophäen. Man könnte auch noch Highscores einführen, bei denen sich Bürokollegen messen lassen können. Das wären spielerische Anreize, die wirklich motivieren.
Was mir richtig gut gefällt, ist die recht detaillierte Auswertung vom Sitzverhalten. Mit Symbolen und Ratschlägen wird ein vorher/nachher Vergleich gezogen und ein Trend prognostiziert. In der selben App gelangt man über das „Haus“-Symbol oben links zur Übersicht. Von hier aus kann man auf „Workouts“ zurückgreifen. Das sind kurze gut produzierte Videos, in denen zum Beispiel die Mobilisierung der Wirbelsäule mit einer einfachen Übung dargestellt wird. Blöd nur, dass sich diese Videos nicht direkt in der App abspielen bzw. streamen lassen sondern bei einem Klick ein Direktlink zu einem .mp4-Video öffnet, worauf hin automatisch mein Chromebrowser einen Download startet. Erst dann kann ich mir das Video lokal auf meinem Rechner ansehen. Viel zu umständlich. Hier muss Interstuhl noch einen integrierten Player nachliefern oder einfach zu einen privaten YouTube-Channel führen.
Insgesamt funktioniert das System hervorragend aber bietet in der Umsetzung noch Luft nach oben. Ich bin gespannt, wo die Entwicklung hingehen wird.
Tolle, einfache Lösung um sein eigenes Sitzverhalten zu analysieren und zu korrigieren. Aufschlussreiche Ratgeber und Statistiken helfen, den Büroalltag gesünder zu gestalten.
Das Produkt wurde für diesen Test zur Verfügung gestellt.
Kommentare
Nadine schreibt ():
Und für alle anderen CIQ-fähigen Wearables von Garmin funktioniert es natürlich auch 😉
Sehr gelungener Artikel im Übrigen – durchleuchtet das Thema recht anschaulich.
Viele Grüße aus Tieringen,
Nadine